«Scheinheilig und neokolonial» - Greenpeace greift Özdemir an
21.03.2023 13:55
Berlin (dpa) - Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) bekommt wege
n
seiner Haltung zum geplanten EU-Mercosur-Freihandelsabkommen scharfe
Kritik von Umweltschützern und Bauern. Die Handelsexpertin der
Umweltorganisation Greenpeace, Lis Cunha, sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Es ist scheinheilig und neokolonial von Özdemir, ein
Freihandelsabkommen durchzudrücken, mit dem Scheinargument, dass es
den Hunger und die Waldzerstörung in Brasilien bekämpft.» Den
Regenwald schütze man nicht mit einem Handelsabkommen, das den Import
schädlicher Produkte wie Rindfleisch und Pestizide erhöhe.
Özdemir hatte bei einem Treffen mit seinen EU-Kolleginnen und
-Kollegen am Montag gesagt, man unterstütze die EU-Kommission darin,
Nachhaltigkeit in den Verhandlungen über ein Zusatzabkommen zu
stärken. Es gehe um den Regenwaldschutz, aber auch darum, dass es
klare Mechanismen zur Überprüfung brauche. Özdemir betonte, dass es
klare Leitplanken beim Thema Nachhaltigkeit brauche. Der Minister
erläuterte zudem, dass Auswirkungen von Mercosur auf die deutsche
Landwirtschaft «doch sehr überschaubar» seien. Man habe dies durch
das bundeseigene Thünen-Institut wissenschaftlich begleiten lassen.
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte am Dienstag der dpa: «Minister
Özdemir verharmlost die Auswirkungen des Mercosur-Abkommens auf die
europäische Landwirtschaft.» Die EU-Pläne und das Mercosur-Abkommen
zusammen setzten die Lebensmittelerzeugung in der EU massiv unter
Druck. Im Ergebnis würde deutlich mehr aus Südamerika importiert.
«Hier heben wir die Standards und verteuern unsere heimische Waren,
und gleichzeitig importieren wir Dumpingware, die zu Standards aus
dem vergangenen Jahrhundert erzeugt wird», warnte Rukwied.
Die EU verhandelt schon seit 1999 mit dem Mercosur, zu dem Brasilien,
Argentinien, Paraguay und Uruguay, gehören über ein Abkommen.
Entstehen würde eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr
als 700 Millionen Menschen. Das Abkommen liegt auch angesichts der
Verweigerung des vorigen, rechtsradikalen Präsidenten Brasiliens,
Jair Bolsonaro, beim Klimaschutz auf Eis. Umwelt- und
Verbraucherschützer machen gegen das Abkommen mobil.
Greenpeace kritisierte nun, ein entsprechendes Freihandelsabkommen
fördere den Export etwa von Rindfleisch und Zuckerrohr auf Kosten
lokaler und nachhaltiger Landwirtschaft. «EU-Mercosur wird in
Brasilien also nur den großen exportierenden Agrarkonzernen
zugutekommen», sagte Greenpeace-Vertreterin Cunha.